Abschied - vom Sommer
Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
Und auf den Fluren lass die Winde los.
Befiel den letzten Früchten voll zu sein;
Gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
Dränge sie zur Vollendung hin und jage
Die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist wird es lange bleiben,
Wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
Und wird in den Alleen hin und her
Unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
(Rainer Maria Rilke)
Solch ein lauer, weißer Tag,
Mag die Hände gar nicht rühren,
Nur die Augen liegen wach.
Draussen welken gelb die Bäume,
In der stillen Esche nicken
Graue Blätter, altersschwach.
Graue Blätter, graue Träume.
(Max Dauthenday)
Nebel hängt wie Rauch ums Haus,
Drängt die Welt nach innen;
Ohne Not geht niemand aus;
Alles fällt in Sinnen.
Leiser wird die Hand, der Mund,
Stiller die Gebärde.
Heimlich, wie auf Meeresgrund,
Träumen Mensch und Erde.
(Christian Morgenstern)
Über Allen Gipfeln
Ist Ruh`,
In allen Wipfeln
Spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde,
Warte nur!
Balde
Ruhest du auch.
(Johann Wolfgang von Goethe)
Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
Als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
Sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
Aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh Dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
Unendlich sanft in seinen Händen hält.
(Rainer Maria Rilke)